Dr. Vossel zur Steuerberater Ausbildung

Dr. Stephan Vossel ist Dozent an der Steuer-Fachschule Dr. Endriss und bereitet seit Jahren erfolgreich auf die Steuerberaterprüfung vor. Worauf es dabei ankommt, wo die Herausforderung in der Steuerberater Ausbildung liegt und was das Berufsbild so spannend macht, verrät er im Interview.

Unser Interviewpartner:

Dr. Stephan Vossel

Dr. Stephan Vossel studierte nach der Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Deutschen Bank AG BWL an der Universität zu Köln. Er war von 2008 bis 2013 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Allgemeine BWL und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität zu Köln (Direktor: Prof. N. Herzig). In dieser Zeit war er auch für eine mittelständische Steuerberatungsgesellschaft tätig. Seit 2014 ist er bei der Steuer-Fachschule Dr. Endriss angestellt, für die er seit Jahren als Dozent tätig ist.

Sehr geehrter Herr Dr. Vossel, Sie sind Dozent an der Steuer-Fachschule Dr. Endriss. Außerdem sind Sie Autor zahlreicher Publikationen zu den Themengebieten Handels- und Steuerrecht. Skizzieren Sie doch bitte kurz Ihren beruflichen Werdegang. Wie und wann haben Sie Ihre Leidenschaft für das deutsche Steuerrecht entdeckt?

Dr. Stephan Vossel: Eine innige Beziehung zum deutschen Steuerrecht war zumindest am Anfang nicht geplant. Als ich nach der Banklehre ein BWL Studium begann, war ich der festen Überzeugung, wieder in diese Branche zurückzukehren. In den entsprechenden Finance-Vorlesungen erlitt ich dann jedoch einen ziemlichen Kulturschock. Gerade hatte man noch in der Bank eine Anlageberatung durchgeführt oder die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens analysiert, und an der Universität versuchte, man mit vielen griechischen Buchstaben ein Optimalportfolio zu bestimmen. Das hatte nichts mehr mit dem Kundenverkehr zu tun, wie ich ihn aus der Praxis kannte. Also machte ich mich auf die Suche nach etwas Handfestem und landete zwangsläufig bei den Steuern.

Hier ging es um praxisrelevante Themen von Grundstücksverkäufen über Heirat bis Erbschaft. Besonders hat mich die Analyse komplexer, aber realistischer Sacherhalte und die anschließende Anwendung der umfangreichen steuerlichen Vorschriften fasziniert. Dies ging dann so weit, dass ich eine Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Steuerseminar der Universität zu Köln antrat, um Steuern einem breiten Studentenkreis zu vermitteln. Eine Zusammenarbeit mit der Steuer-Fachschule Dr. Endriss war der nächste logische Schritt, zumal ich mit diesem Unternehmen schon seit vielen Jahren verbunden war.

Erst Studium oder Ausbildung, dann noch mehrere Jahre Berufserfahrung: Der Weg zum Steuerberater ist lang. Das Image, das ihnen anhaftet, ist nicht gerade immer „schmeichelhaft“: Trocken und langweilig. Entgegen aller Klischees, warum ist der Beruf des Steuerberaters dennoch attraktiv und für wen eignet er sich besonders gut?

Dr. Stephan Vossel: Geeignet ist der Beruf des Steuerberaters für Menschen mit guten analytischen Fähigkeiten, da auftretende Sachverhalte erkannt und eingeordnet werden müssen. Sofern man in der Steuergestaltung tätig wird, ist zudem auch die Kreativität des Steuerberaters gefragt, da kein Mandat wie das andere ist, und die passende Lösung für den konkreten Fall gefunden werden muss. Über allen Tätigkeiten des Steuerberaters schwebt zudem eine mögliche Haftungsverpflichtung, sodass auch gewissenhaftes Arbeiten zwingend vorauszusetzen ist. Abschließend ist noch eine hohe Flexibilität bzw. eine hohe Frustrationsschwelle von Vorteil, da die gesetzlichen Grundlagen und weitergehenden Gerichts- und Verwaltungsmeinungen ständig im Fluss sind, und Dinge, die gestern noch als zutreffend angesehen wurden, morgen schon wieder überholt sein können.
Hat man sich auf diese Anforderungen eingelassen, erbringt der Steuerberater eine Dienstleistung, welche dem Mandanten hilft, seinen gesetzlichen Pflichten (z. B. Abgabe der Steuererklärung) nachzukommen oder eine Steuerbelastung zu vermeiden. In beiden Fällen kann wirklich etwas für den Kunden erreicht werden. Auch die Auseinandersetzung mit einer Gegenpartei (Finanzverwaltung), die im Streitfall ebenfalls gut untermauerte Ansichten ins Feld führt, ist durchaus reizvoll.

Ihr Institut bereitet in Präsenzlehrgängen, sowohl unter der Woche in Vollzeit als auch samstags, auf die Steuerberaterprüfung vor. Welche Inhalte vermitteln Sie angehenden Steuerberatern in Ihren Kursen?

Dr. Stephan Vossel: Die Lehrgangsinhalte sind thematisch durch die Anforderungen der Prüfung vorgegeben, somit beispielsweise für die schriftliche Prüfung Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete, Ertragsteuern sowie Buchführung und Bilanzwesen.

Von den Anwendungsfertigkeiten vermitteln wir einerseits abstrakte Kenntnisse über die relevanten Vorschriften, denn das Wissen um den Sinn und Zweck sowie die Wirkungsweise steuerlicher Normen ist notwendige Voraussetzung für die Prüfung. Wichtig ist es jedoch andererseits, dieses abstrakte Wissen auf einen konkreten Fall anzuwenden, weil dies Gegenstand der Prüfung aber auch der Praxis ist. Daher ist der Unterricht fallorientiert aufgebaut, um diesen Transfer direkt zu vollziehen. Das Ganze wird durch regelmäßige Übungsklausuren abgerundet, um einen dauerhaften Lerneffekt bei den Teilnehmern zu erreichen.

Die Steuerberaterprüfung gilt zu Recht als eine der härtesten und anspruchsvollsten Prüfungen Deutschlands. Die jährlichen Durchfallquoten sind entsprechend hoch. Solche Zahlen schrecken zunächst natürlich ab. Woran liegen Ihrer Meinung nach diese hohen Durchfallquoten? Wie motivieren Sie Ihre Schüler trotzdem für diesen Triathlon aus Steuerrecht, VWL und BWL? Haben Sie Lerntipps für die Prüfungsvorbereitung?

Dr. Stephan Vossel: Die Schwierigkeit liegt in der Breite des relevanten Prüfungsstoffes begründet. Die Rechtsgebiete in ihrem vollen Detailgrad nicht nur zu erfassen, sondern auch unter Zeitdruck routiniert anwenden zu können, ist etwas, was lange und intensive Vorbereitung erfordert. Und selbst dies reicht für einige Prüfungsteilnehmer leider nicht aus.

Hinsichtlich der Motivation kommt uns der Ruf der Prüfung entgegen. Jeder Kandidat weiß, worauf er sich einlässt, und dass ein hoher zeitlicher und persönlicher Einsatz von ihm gefragt ist. Die Grundmotivation ist entsprechend hoch. Unsere Aufgabe ist es eher, mit temporären Tiefpunkten der Teilnehmer umzugehen, die während der Vorbereitung bei jedem einmal auftreten. Hier ist es wichtig, ein klar strukturiertes Konzept zu besitzen, um dem Teilnehmer, welcher sich gerade in den Tiefen von Sondervorschriften verloren hat, wieder klare, übergeordnete Lernziele und Schwerpunkte aufzuzeigen. Weiterhin hat jeder Kandidat ein Themengebiet, was ihm weniger liegt (oftmals wird hier die Abgabenordnung genannt). Gerade in diesem Bereich muss ein Grundgerüst vermittelt werden, sodass der Teilnehmer für sich selbst die Möglichkeit sieht, diesen Prüfungsbereich zumindest überleben zu können.

Neben dem allgemeinen Grundsatz, dass man früh genug mit der Vorbereitung beginnen sollte (was von vielen Kandidaten bereits beherzigt wird), ist die Strukturierung der eigenen häuslichen Vorbereitung von entscheidender Bedeutung. Es steht nur ein begrenztes Zeitkontingent zur Verfügung, und es ist sehr unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich, den gesamten möglichen Prüfungsstoff in jedem Detail zu beherrschen. Schließlich können die wenigsten 1 bis 1½ Jahre lang eine komplette Auszeit zur Prüfungsvorbereitung nehmen. Schwerpunktsetzungen sind somit notwendig. Wichtig ist auch, dass bei der Vorbereitung nicht zu lange nur an Skripten gearbeitet wird, welche die Teilnehmer im Laufe der Vorbereitungskurse in umfangreichem Maße erhalten, und die für die Nacharbeit und Wissensansammlung zweifellos unerlässlich sind. Der Übergang zur Anwendung (Schreiben von (Übungs-)Klausuren) sollte möglichst frühzeitig erfolgen, um sich an die tatsächlichen Prüfungsanforderungen zu gewöhnen und den vorhandenen Wissensstand zu testen.

Neben den Kursen, in denen alle prüfungsrelevanten Inhalte vermittelt werden, gibt es in Ihrem Institut zusätzlich Seminare, in denen Sie mit den Lernenden das Schreiben von Klausuren üben. Haben Sie Erfahrungswerte darüber, inwieweit den Prüflingen diese Art der Prüfungsvorbereitung in der späteren Prüfungssituation weiterhilft?

Dr. Stephan Vossel: Lassen Sie es mich von der anderen Seite betrachten: Ich kenne kaum einen Kandidaten, der keinen Klausurenkurs belegt hat. Das gilt selbst für diejenigen, welche ihre vorherige Vorbereitung ganz ohne Lehrgangsanbieter bestritten haben. Auch die Resonanz nach der Prüfung ist hinsichtlich dieser Kurse durchweg positiv.

Ein Klausurenkurs ist meiner Meinung nach ein essentieller Bestandteil der Prüfungsvorbereitung. Die schriftliche Prüfung wird hinsichtlich des zeitlichen Umfanges, der inhaltlichen Anforderungen und des organisatorischen Ablaufes simuliert. So können Prüfungserfahrungen gesammelt und der Vorbereitungsstand überprüft werden.

Was erwartet die Kursteilnehmer nach der bestandenen Steuerberaterprüfung? Welche Karriere- und Berufschancen bieten sich Steuerberatern?

Dr. Stephan Vossel: Die Berufsaussichten für einen Steuerberater sind als durchaus positiv einzuschätzen. Weiterhin stehen ihm verschiedene Tätigkeitsschwerpunkte zur Wahl. Dies liegt zunächst im Arbeitsverhältnis selbst begründet, welches von der Selbständigkeit über mittelständische Kanzleien bis hin zu Großkanzleien reicht. Die Arbeitsorganisation, die Mandantenstruktur und auch die Internationalität sind somit zumindest grob dosierbar. Auch für andere Wirtschaftsunternehmer sind Steuerberater bzw. Menschen mit abgeschossener Steuerberaterprüfung interessante Arbeitnehmer.

Internationales Steuerrecht, Europäisches Steuerrecht. Mit welchen Herausforderungen sehen sich zukünftige Steuerberater Ihrer Meinung nach konfrontiert? Ist eine Spezialisierung für Steuerberater sinnvoll?

Dr. Stephan Vossel: Das Steuerrecht ist längst keine rein nationale Angelegenheit mehr. Dies zeigen auch die Inhalte der schriftlichen Steuerberaterprüfung in den letzten Jahren. Der Prozess der Internationalisierung wird von gesetzgeberischer und von Mandatsseite weiter zunehmen. Hierin aber auch in der Schnelligkeit der Änderungen von Steuergesetzen und Verwaltungsanweisungen sowie laufend ergehenden Urteilen nationaler und internationaler Gerichte liegt die Herausforderung.

Der Steuerberater muss sich im Klaren darüber sein, dass er nicht in allen Steuergebieten über ausreichendes Wissen und Erfahrung verfügt, um eine anspruchsvolle Beratung durchzuführen. Ob er sich nun gänzlich auf einen Bereich spezialisiert, hängt von seinen Zielen und von seiner Mandantenstruktur ab. Eine breite Aufstellung ist möglich und im kleinen und mittelständischen Bereich auch sinnvoll, solange man seine Grenzen kennt. In großen Kanzleien ist der Spezialisierungsgrad höher und erfolgt nach Steuerarten oder nach Sachverhaltsgruppen (z. B. Transaction Tax).

Vielen Dank Herr Dr. Vossel (Steuer-Fachschule Dr. Endriss) für das Interview.